Exkursion zur Wewelsburg
Am Freitag, den 19. und 20. August 2022, besichtigten drei Kurse der Q2 die Wewelsburg. Diese steht im Stadtteil Wewelsburg der Stadt Büren im Kreis Paderborn und beheimatet die Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg, die unter anderem über die Ideologie und den Terror der SS zwischen 1933 und 1945 informiert. Die Exkursion startete am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Von dort aus sind wir mit Bahn und Bussen zur Wewelsburg gefahren.
von Giannina Bierwirth
Die Wewelsburg ist ein burgähnliches Renaissanceschloss mit einem dreieckigen Grundriss, welche in der Zeit von 1934 bis 1945 von der SS genutzt und von Heinrich Himmler zur zentralen Versammlungsstätte für die SS teilweise umgestaltet wurde. Der Ausbau wurde vor allem von den Häftlingen des naheliegenden Konzentrationslagers (KZ) Niederhagen ausgeführt. Die Burganlage wurde als KZ-Arbeiterlager genutzt, was man sich vor Ort einerseits nur schwer vorstellen kann, andererseits steht man auf dem gleichen Boden, auf dem auch die KZ-Häftlinge standen und arbeiteten. Vor nicht einmal 100 Jahren. Einzig die Zeit macht den Unterschied: ob man früher als Häftling oder tyrannischer Wärter oder heute als Schülerin/Schüler oder Besucherin/Besucher auf dem Gelände der Wewelsburg steht.
Direkt neben der Burg befindet sich eine Ausstellung im ehemaligen SS-Wachgebäude. Auffällig im Ort Wewelsburg war, dass die Wewelsburg selbst nicht als Gedenkstätte ausgeschildert ist. Der einzige Hinweis ist die Ausstellung. Der Rundgang durch die Ausstellung und die Wewelsburg begann um 14 Uhr. Er startete in der Dauerausstellung: „Ideologie und Terror der SS“, in welcher Uniformen der SS und der Häftlinge, die Geschichte der Wewelsburg parallel zum Zweiten Weltkrieg, kleinere Artefakte sowie Zeugenaussagen der KZ-Häftlinge, welche man sich anhören kann, ausgestellt sind. Unsere Betreuerin hat den Inhalt der Ausstellung in Interaktion mit uns vermittelt.
Daraufhin ging es durch den Burggraben, welcher von Häftlingen ausgegraben wurde, in den Nordturm. In diesem befindet sich im „Keller“ eine Gruft. Der Raum ist rund, mit hohen gewölbten Steinwänden und ist mit 12 kleinen Säulenhöckern ausgestattet. Hinter diesen befanden sich ehemals kleine Nischen, die jedoch zugemauert wurden. In der Decke sind vier Fenster, ein fünftes wurde ebenfalls zugemauert. In der Mitte gehen einige Stufen nach unten, sie bilden so einen weiteren Kreis, über welchem sich in der Decke ein Hakenkreuz mit vier Löchern befindet. Die Gruft hat Flüsterwände und eine sehr interessante Akustik. Im Raum sind heutzutage moderne Gemälde ausgestellt, welche Ereignisse des Krieges, besonders das Leben in den Konzentrationslagern abbilden. Diese haben den Zweck, dem Raum seine frühere Wirkung zu nehmen und an die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges zu erinnern. Wieder fühlt es sich surreal an, mit Hilfe dieses Ortes durch die Zeit zu reisen.
Über der Gruft befindet sich der Obergruppenführersaal, der mit 12 Säulen ausgestattet ist. In der Mitte des Bodens befindet sich ein Abbild der Schwarzen Sonne. Auf diesem Marmorabbild liegen einige Sitzsäcke, um auch hier dem Raum seine ehemalige Wirkung zu nehmen, das Symbol zu verdecken und um strammes Stehen zu verhindern. Die Schwarze Sonne ist ein Grund für viele Pilgergruppen wie Esoteriker, Satanisten, aber auch Neonazis, die Wewelsburg zu besuchen, weil sie die Schwarze Sonne als Kraftsymbol sehen. Ebenfalls gilt sie seit den 1990ern als Ersatz- und Erkennungssymbol der rechtsextremen Szene.
Beide Räume waren zu NS-Zeiten ungenutzt, sodass ihr genauer Verwendungszweck unbekannt ist. Die Wewelsburg wurde 1933 von Heinrich Himmler besichtigt, 1934 wurde ein Pachtvertrag zwischen dem Kreis Büren und der SS auf 100 Jahre für eine Reichsmark pro Jahr angelegt. 1939 wurde dann das erste Konzentrationslager unterhalb der Burg eingerichtet. Nach der Führung ging es weiter zur Jugendherberge, wo uns freie Zeit zur Verfügung stand.
Am nächsten Tag ging es mit dem Bus zurück auf die Wewelsburg, wo wir an einem Seminar zum Rechtsextremismus teilnahmen.
Zunächst hatten wir Zeit, um die Zeitzeugenaussagen in der Ausstellung anzuhören. Wir alle fanden es beeindruckend, dass keiner von ihnen verbittert schien, sondern eher dankbar dafür, ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit teilen zu können, um Bewusstsein zu schaffen. Im Seminar haben wir mit Projekten und Gruppenarbeiten mehr über das Thema Rechtsextremismus gelernt. Wir haben uns besonders damit beschäftigt, dass der Rechtsextremismus trotz allen Ereignissen der Vergangenheit noch so präsent in unserer Gesellschaft ist. Die Fremdenfeindlichkeit und fremdenfeindlichen Straftaten nahmen zum Beispiel im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 zu. Auch eine Umfrage darüber, wie viele Menschen zu fremdenfeindlichen Gewalttaten bereit sind, war erschreckend, denn die Prozentzahl derer, die zu solchen Taten bereit sind, stieg ebenfalls.
Uns ist klar geworden, dass das Thema heutzutage aktueller denn je ist. Am 22. August wurde in den Nachrichten an das Ereignis in Rostock-Lichtenhagen vor 30 Jahren erinnert, bei dem 1992 vor der zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Rostock Rechtsextreme randalierten und eine benachbarte Unterkunft in Brand steckten, angefeuert von Tausenden Anwohnerinnen und Anwohnern. Nach dem Seminar sind wir zu Fuß an den Ortsrand von Büren-Wewelsburg gegangen, wo während des Zweiten Weltkriegs das Konzentrationslager Niederhagen stand. Bei dem KZ handelte es sich zwar nicht um ein Vernichtungslager, jedoch forderten die schwere Arbeit und die unmenschlichen Bedingungen viele Opfer unter den Häftlingen.
Heutzutage ist das Gebiet des ehemaligen Konzentrationslagers ein Wohngebiet, was wir alle sehr erschreckend fanden, ebenso wie die Tatsache, dass es nicht wirklich ausgeschildert ist. Das einzige Schild, das darauf verweist, dass dies früher ein KZ-Gelände war, ist nicht größer als die Straßenschilder oder als das Schild, welches einen Sportplatz ausweist. Die einzigen Gebäude von damals, die heute noch stehen, sind das Torhaus, die Küche und das Krematorium.
Hätten wir keine Betreuerin gehabt, hätten wir den ehemaligen Zugang zum Lager niemals gefunden, geschweige denn erkannt. Die frühere Toröffnung wurde zugemauert. Das Torhaus ist nun ein gewöhnliches, bewohntes Haus. Dann, hinter dem Torhaus, befindet sich eine Rasenfläche, an deren Stelle der Appellplatz war. Hier ist heute ein dreieckiges Mahnmal, dies soll an die dreieckigen Aufnäher auf der Kleidung der ehemaligen Häftlinge erinnern. Das Mahnmal wurde erst am 02. April 2000 auf Initiative einiger Schülerinnen und Schüler eingeweiht. Neben dem Appellplatz befindet sich ein Gebäude, die Küche des Konzentrationslagers Niederhagen, welche zwischenzeitlich als Feuerwehrstation fungierte. In den nicht isolierten Räumen haben vor einigen Jahren sogar sozial schwache Familien gewohnt. Ebenfalls noch vorhanden ist das Krematorium, in welchem die Toten verbrannt wurden. Allerdings ist es im Besitz einer Firma und steht auf einem Privatgrundstück, daher ist es nicht zu besichtigen. Da es sich hier um Privatbesitz handelt, könnte die Firma das Krematorium jederzeit abreißen, wenn sie das Bedürfnis hätte. Die Besichtigung des ehemaligen Konzentrationslagers Niederhagen kennzeichnet den Schluss unseres Aufenthalts in Paderborn und auf der Wewelsburg. Noch auf dem Rückweg haben wir uns über die Vorkommnisse des Zweiten Weltkrieges unterhalten. Uns allen kam es unwirklich vor, auf dem ehemaligen Appellplatz zu stehen, wo viel Schreckliches passiert ist, zum Beispiel manches von dem, was uns am Tag zuvor erzählt wurde. Auch hat uns der Fakt erschüttert, dass alle Offiziere und Aufseher des Konzentrationslagers freiwillig dort waren, denn sie durften Befehle verweigern, ohne Konsequenzen zu befürchten, außer vielleicht einer Versetzung an eine andere Arbeitsstelle oder die Front. Manche haben sogar „aus Spaß“ Häftlinge erschossen. Aus den Berichten der Zeitzeugen wissen wir, dass es aber auch ganz wenige Aufseher gab, die beispielsweise ihr Pausenbrot an die Häftlinge gaben.
Wir haben nochmal mehr als davor begriffen, wie wichtig es ist, über dieses Thema aufzuklären, vor allem wenn man einen Blick auf Gruppen wie zum Beispiel die „Querdenker“ wirft, welche auf Protesten und Demonstrationen, aber auch generell teilweise Kleidung oder ähnliches tragen, was sie als Neonazis ausweist. Viele beschönigen oder leugnen die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs auch heute noch. Man könnte meinen, der Zweite Weltkrieg hätte nie stattgefunden.
Die Erinnerung und das Gedenken an die Taten unserer Vorfahren mahnt uns auch heute noch, wachsam zu bleiben und für die Freiheit, unsere Werte und den Frieden einzutreten. Es beginnt immer mit Worten, die die Realität verzerren, Aussagen, die Fakten ignorieren und negieren. Wenn wir auf die politische Elite und die Entwicklungen in vielen Ländern schauen, müssen wir unsere Werte von Menschlichkeit, Toleranz und Freiheit mit Mut verteidigen.